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Andrew Seubert, John McDonagh

EMDR mit geistig behinderten Menschen (2002)
EMDR with mental handicapped clients

Übersetzung einer Life-Aufnahme im Rahmen der 2002 EMDR International Association Conference

Zusammenfassung

John ist Psychotherapeut und arbeitet seit einigen Jahren mit Menschen mit geistiger Behinderung, allerdings betont er mehrfach, dass es sich bei seinen Klienten um mildly retarded clients mit guten sprachlichen Möglichkeiten handelt, das entspricht im Deutschen eher dem Begriff der Lernbehinderung. Er bedauert, dass es nach wie vor die weitverbreitete Annahme gibt, dass Menschen mit psychiatrischen Problemen und einer leichten geistigen Behinderung nicht von Psychotherapie profitieren können oder dass sie allenfalls mit Verhaltenstherapie oder Medikamenten behandelt werden. Dabei hat er selbst die Erfahrung gemacht, dass diese Klienten genauso gut auf EMDR ansprechen, wie andere auch.

Andrew ist ebenfalls Psychotherapeut mit einer privaten Praxis in Pennsylvania, außerdem arbeitet er seit 15 Jahren mit einer Einrichtung für geistig behinderte Frauen zusammen. Seine besonderen Anliegen waren von Anfang an: Beziehung, Bewusstsein von Gefühlen (awareness) und der Ausdruck von Gefühlen. In seiner Anfangszeit wurde besonders Wert auf Verhaltensmodifikation gelegt, die Zurückhaltung, Selbstkontrolle, und ein besonderes gewünschtes Verhalten bei den Klienten bewirken sollte. Sein ursprünglicher Hintergrund ist die Musiktherapie, später kamen auch andere kreative Methoden, Gestalttherapie u.a. dazu. Sein Ziel war und ist es, eine Sprache zu entwickeln, die den inneren Ort erreicht, an dem jemand unglücklich, blockiert, gestört, beunruhigt oder verwirrt ist. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist ihm die Fortbildung der Mitarbeiter von Einrichtungen für behinderte Menschen im Hinblick auf ein gutes Verständnis der Betreuer für die ihnen anvertrauten Menschen.

Die Punkte die im Folgenden besprochen werden, sind:

  1. spezifische Charakteristika der obengenannten Bevölkerungsgruppe
  2. ihre besonderen Probleme
  3. die Entwicklungen in der Behandlung von Menschen mit Intelligenzminderung
  4. Fallstudien
  5. Fragen

Zu 1.: Grundsätzlich ist es so, dass die Menschen mit geistiger Behinderung in den selben Zusammenhängen leben, wie andere auch, John nennt das seine continuum idea. D.h. sie haben die gleichen Probleme, Ängste und Abwehrstrategien wie andere auch. Manchmal treten allerdings unter speziellen Bedingungen extreme Formen auf, weil die behinderten Menschen nicht die gleichen, oder nicht genügend Möglichkeiten haben, um mit diesen Bedingungen um zu gehen.

John: Die Charakteristiken: Zunächst haben wir es offensichtlich mit einem unterdurchschnittlichen IQ im Bereich Abstraktes Denken zu tun. Und im Hinblick auf EMDR bedeutet das, wenn eine Person das eine oder andere bearbeitet hat, ist es sehr schwer, eine Generalisierung hinsichtlich ähnlicher Situationen herzustellen. Man muss viel wiederholen, um das Gelernte auf ähnliche Situationen zu übertragen.

Passivität und Abhängigkeit. Passivität im Sinne eines schwachen Willens findet man sehr häufig, denn das wurde gelernt. Die Eltern haben viel Zeit darauf verwendet, ihre Kinder zu behüten, von der Umgebung fernzuhalten, starke Gefühle oftmals nicht zuzulassen, sie vor der Welt zu beschützen. Der Erfolg ist, dass sie sehr passiv und abhängig werden. Das ist absolut typisch. Und viele von ihnen haben mit elterlichen Verstrickungen zu tun. Die Eltern schimpfen, die Eltern trauern, die Eltern sind gekränkt oder kränken, das macht es oft noch komplizierter.

Ein anderes Charakteristikum ist eine Art "self absorption". Sie sind sehr in ihrer Welt, in ihren Bedürfnissen gefangen und der Kontakt mit der Umgebung, besonders mit den Menschen in der Umgebung ist sehr erschwert. Das liegt daran, dass sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aufgewachsen sind.

Das Nächste ist die eingeschränkte Gefühlsbreite. Dafür sehe ich vor allem zwei Gründe. Zum einen ist es störungsbedingt und liegt in der Natur der Sache, zum anderen ist es erziehungsbedingt durch die Art und Weise, wie die Eltern auf ihr Kind eingehen. Die Menschen in der Umgebung eines behinderten Kindes können oftmals nicht zulassen, dass es starke negative Gefühle zeigt und versuchen, sie schön zu reden. Deshalb hat ein Teil der Behandlung damit zu tun, die nächsten Bezugspersonen zu erziehen.

Eine andere Charakteristik, die man bei dieser Bevölkerungsgruppe sehr häufig findet, ist das Vermeiden von Neuerungen.

Der nächste Punkt sind die Entwicklungsverzögerungen. Die sollte man unbedingt im Sinn behalten. Es ist für die betroffenen Menschen oft sehr schmerzhaft, die Entwicklungsverzögerungen selbst wahrzunehmen. Besonders, wenn sie im Kontrast zu Geschwistern und zu Gleichaltrigen in der Schule stehen. Das macht traurig und man schämt sich. Aber normalerweise redet niemand mit diesen Menschen über Scham und Trauer und es wird Zeit, dass sich das ändert und wir Mittel und Wege finden, um das zu tun.

Die letzte Charakteristik ist eine erhöhte Vulnerabilität im Hinblick auf Missbrauch und Misshandlung und wenn ich all das bis jetzt Gesagte zusammenfasse, ergibt sich das Bild von Klienten, die sozusagen prädestiniert sind, manipuliert, hereingelegt und übervorteilt zu werden und hier ist der Punkt, an dem EMDR wirksam sein kann.

Zu 2. Andrew: Wie gesagt, ich arbeite seit 15 Jahren mit Menschen aus dieser Bevölkerungsgruppe und nur zwei von ihnen hatten richtig Power. Das Hauptproblem dieser Gruppe ist das Fehlen von "self-awareness", von Selbst-Bewusst-Sein, Bewusstsein für den Körper haben, Bewusstsein für Gefühle, wissen, dass es sie gibt und registrieren, dass ich eine eigenständige Person bin, die sich von anderen unterscheidet, getrennt ist von anderen. Das ist eine wichtige Entwicklungsstufe. Aufgrund der Überbehütung und der fehlenden Selbständigkeit ergibt sich oft eine Art Verschmelzung (Gestalttherapie sagt Zusammenfluss, "confluence") zwischen sich selbst und anderen. Deshalb ist ein Großteil der Therapie eine Art Prä-Therapie, wo es darum geht, zunächst eine Art Bewusstsein von sich selbst und anderen zu entwickeln. Das ist die Vorraussetzung für den psychologischen Kontakt, danach kommt alles andere. Ich erinnere mich an eine Frau, mit der ich einmal gearbeitet habe. Sie gehörte zu einer Gruppe von mehreren Frauen. Ein Verwandter einer anderen Teilnehmerin war gestorben und diese eine Frau steigerte sich daraufhin in eine heftige Trauer oder eigentlich war es mehr eine Art Panik: Angst, mehr Menschen der eigenen Familie zu verlieren. Sie hatte den verstorbenen Menschen nie getroffen, aber das Gefühl von dort und hier und meins und deins war nicht vorhanden.

Das zweite Problemfeld betrifft das mangelnde Bewusstsein von Gefühlen und den Ausdruck von Gefühlen.

John: Ich dränge meine Klienten nicht in Richtung Autonomie, aber ich lege großen Wert auf Selbstachtung. Ich halte dies für eine Art von Proto-Ressourcen-Entwicklung. Der Aufbau von Selbstachtung steht in Beziehung zu Selbstvertrauen, zu mehr alleine machen, Neues ausprobieren und keine Angst davor haben, zu versagen. Die Einschränkungen im zwischenmenschlichen Kontakt, die wir feststellen, haben die gleichen Ursachen. Diese Menschen sind durch Überbehütung und Überkontrolle in ihrer Entwicklung eingeschränkt, sie haben nicht viele Freunde, sie werden von ihnen verlassen, wenn sie nicht zur Regelschule gehen und bekommen einen speziellen Unterricht. Sie erleben oft heftige Ablehnung, werden häufig etikettiert und werden sozial ausgegrenzt. Wir sehen allerdings, dass sich da bei einigen Klienten manches verändert.

Groß ist auch die Angst vor Veränderung an sich. Denken wir an eine Person mit eingeschränkten Fähigkeiten, so ist ihre Geschichte von immer wiederkehrenden Erfahrungen geprägt, dies nicht zu hinzukriegen und das nicht zu können. Natürlich vermeidet sie deshalb jeden neuen Versuch aus Angst zu versagen. Deshalb muss man neue Muster und selbstverständlich Vertrauen und Selbstachtung aufbauen und dann kann man beobachten, wie diese Menschen Chancen ergreifen und Risiken in Kauf nehmen, weil sie stärker werden.

Und dann ist da die Scham des Nichtkönnens. Meine erste Erfahrung damit ist Jahre her, als ich mit einem jungen Mann arbeitete, der grenzwertig intelligent (borderline intelligent) war. Er wusste, dass er nicht in der Lage war, bestimmte Dinge zu tun, sein Leben zu planen und zu organisieren. Er musste in einem day treatment program sein. Das war ihm bewusst und er realisierte, dass er anders war als viele andere Menschen, und da kann Bewusstheit sehr schmerzhaft sein. An diesem Punkt müssen wir helfen, zu erkennen was vor sich geht und mit der Scham fertig zu werden.

Wichtig ist auch das Problem der Traumatisierung. Diese Bevölkerungsgruppe ist im Vergleich zu Menschen mit normalem IQ sehr vulnerabel. Dies gilt insbesondere für Kinder. So kann es vorkommen, dass sie missbraucht werden und den Missbrauch als solchen gar nicht realisieren. Es mag sein, dass sie ein Gefühl haben, dass da etwas nicht richtig ist, aber der nächste Gedanke ist: "Mir wird sowieso keiner glauben, ich bin behindert, ich bin anders!" Was man dann beobachten kann ist, dass sie rumhängen und keiner weiß warum. So wird der Missbrauch verdrängt und man muss ihn tief ausgraben. Die andere Art, damit umzugehen, ist eine mehr ausagierende. Hier kann der Missbrauch nicht verbal ausgedrückt werden, weil vielleicht keiner da ist, mit dem man reden könnte oder keiner, der einem glauben würde. Also schmeißt man eine Scheibe ein oder wirft einen Stuhl nach jemandem oder irgendetwas ähnliches. Es ist diese völlig andere Art der Verarbeitung, die bedingt, dass wir anders hinschauen müssen, um evtl. festzustellen, dass das eine oder andere auffällige Verhalten vielleicht mit einem Trauma im Zusammenhang steht.

Zu 3. Andrew: Die Entwicklung der Behandlung: Die Tatsache, dass es kein diagnostisches Material gibt ist der Tatsache geschuldet, dass man jahrelang annahm, Therapie sei nichts für diese Bevölkerungsgruppe. Psychotherapie wurde als etwas angesehen, dass für diese Menschen nicht sinnvoll und effektiv sein konnte, innenorientiert, sprachbasiert und nicht veränderbar wie sie war. Im Laufe der Zeit hat sich das verändert, besonders in der frühen Begeisterung für Verhaltenstherapie. Das war sehr populär und auch das erste, was ich ausprobiert habe, als ich anfing, mit diesen Menschen zu arbeiten.

Dann wurde es mehr und mehr eklektisch, man sah den Nutzen von Methoden wie Spieltherapie, Sandspiel, Entwicklungen aus der Kunsttherapie, allgemein gesagt Therapien, die nicht so verbal ausgelegt sind. Das erforderte, mehr experimentell vorzugehen.

Als Nächstes lenkten wir mehr und mehr das Augenmerk auf den eigentlichen Prozess in der Therapie. Mit anderen Worten, man hörte auf, hauptsächlich Probleme zu beleuchten, zu erklären und zu belehren, sondern beachtete den eigentlichen inneren Prozess der Person und dann den interpersonellen Prozess zwischen Therapeut und Klient. Das wurde das eigentlich Wesentliche in der Therapie. Es wurde dem Prozess Raum gegeben oder es wurde ihm erlaubt, organisch abzulaufen. So bin ich bei allen Klienten vorgegangen.

Ein nächster Entwicklungsschritt in der Therapie mit dieser Bevölkerungsgruppe hat mit Ressourcen-Entwicklung (resource development) zu tun und ich denke, da kann EMDR sehr effektiv sein. Viele der Schwierigkeiten dieser Klienten beruhen darauf, dass basale Fähigkeiten nicht erworben wurden und man kann sie nicht einfach auf verbalem Wege erwerben. Ehrlich gesagt, niemand kann sich dies sprachlich aneignen. Man muss es in den Körper und in das Gefühlsleben integrieren. Wir haben es erst wirklich erworben, wenn wir es physisch, psychisch und erfahrungsmäßig verinnerlicht haben. Dies gilt in besonderem Maße für eine Bevölkerungsgruppe, die Defizite im kognitiven und verbalen Bereich hat.

Der nächste Schritt hat mit translating behaviours zu tun, d.h. es kommt darauf an, ein Verhalten z.B. nicht als gewalttätig und aggressiv zu bezeichnen, sondern zu sehen, dass da jemand etwas ausagiert. Ich weiß nicht, wer diesen Ausdruck geprägt hat, er nannte es unmasking the behaviour. Wir müssen wirklich anfangen, hinter die Maske des Verhaltens zu sehen. Was ist das für ein Verhalten? Was ist die Botschaft? Was versucht die Person mit diesem Verhalten zu sagen? Warum ist die Person so bedrückt? Warum ist sie so ängstlich/aufgeregt? Wie ist das Verhalten motiviert? Was liegt hinter einer Verstimmung? So wie man sich das bei jedem anderen auch fragen würde.

Zu 4. Andrew: Zwei Fallbesprechungen:

Beim ersten Fall handelt es sich um eine Frau. Ihr Name ist Karen. Ich hatte vor einigen Jahren mit ihr gearbeitet, hauptsächlich mit Musik. Danach sahen wir uns nicht mehr. Später brachte man sie auf Initiative der Einrichtung zu mir, weil sie offensichtlich mit ihrer Trauer überfordert war. Karen ist ungefähr 40 Jahre alt, sie spricht, sie hat einen IQ von etwas mehr als 50. Sie brachten sie hauptsächlich deshalb zu mir, weil ein nahestehender Onkel und ein sehr vertrauter Arzt der Familie gestorben waren. Sie hatte außerdem andere Familienmitglieder verloren, nicht Vater und Mutter, die beide lebten, aber eine Reihe von Menschen in den letzten Jahren. Jetzt fiel sie auf, weil sie andere verprügelte, Schläge verteilte und verbal aggressiv war. Sie legte sich eine Reihe aggressiver Verhaltensweisen zu. Aber die Mitarbeiter hatten inzwischen genügend Übung in Achtsamkeit und meinten deshalb, dass das Trauer sein müsse und brachten sie zu mir. Ich hatte 6 Sitzungen mit ihr.

In der ersten Sitzung kam sie erst einmal an und wir nahmen unsere Beziehung wieder auf. Sie erzählte mir genau, was passiert war und an einem bestimmten Punkt, an dem ich auf mein Gefühl hörte, war da nicht so sehr Trauer, sondern sehr viel mehr Angst, Angst noch mehr Menschen zu verlieren.

In der zweiten Sitzung kam sie herein und ich verwendete eine Kombination von Augenbewegungs-Sets und BioLateral Musik. Eine von David Grants Kassetten. Ich verfuhr abwechselnd, zuerst bat ich sie von ihrem Onkel und diesem Arzt zu erzählen und während sie erzählte, hörte sie Musik über die beiden Lautsprecher. Ich verwendete keine Kopfhörer, ich nehme nur zwei Lautsprecher und stelle sie hinter die Person auf der Couch. So hatte sie die Musik im Rücken, aber im seitlichen Wechsel. Und als die Wirkung eintrat stoppte ich und wir legten die Aufmerksamkeit auf diese Wirkung und zwar mit Hilfe von Augenbewegungen. In diesem Sinne habe ich beides gemischt. Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe, es war mehr intuitiv. Ich drängte sie nicht vorwärts und war sehr vorsichtig mit meinen Unterbrechungen. Manchmal ist es schwierig, mit dem eingeschränkten Zugang zu Gefühlen umzugehen, denn es kann passieren, dass ein kleines bisschen Gefühl hochkommt und wenn man dann unterbricht und fragt: Wie stark ist das?, hat man es schon verloren. Damit muss man rechnen. Dann war das Ende der Sitzung sehr interessant. Ich sagte zu ihr: Wie geht es dir?, und sie sagte: Gut, die Traurigkeit ist weg. Ich wollte an dieser Stelle noch etwas anderes verankern, deswegen fragte ich sie, als sie ihre Trauer verarbeitete: Weißt du eigentlich, wie stark du sein musst, um traurig sein zu können? Meine Idee war, dass da Angst war, mit der sie nicht umgehen konnte. An dieser Stelle ging es mir um die Ressourcen-Entwicklung. Ich ließ sie zwei Bilder zeichnen, eins von einem starken, kraftvollen Gesicht und eins von einem traurigen Gesicht. Und ich bat sie, beide zusammen vor sich zu legen und beide zusammen anzusehen. Dazu machte ich die Musik an und zwar in erster Linie, um diese spezielle Ressource zu verankern und zu stärken.

Zu Beginn der dritten Sitzung reaktivierten wir den "sicheren Ort". Dies war etwas, was wir vor Jahren schon angelegt hatten. Für sie war es ein Lieblingsplatz, den sie sich vorstellen konnte und sich dabei sehr wohl fühlen. Dann erzählte sie, dass sie gesehen hatte, wie ihre Eltern bei der Totenwache für ihren Onkel geweint hatten, und sie war dabei sehr ärgerlich auf ihre Eltern. Sie sagte: "Sie waren so inappropriate (unangemessen, unangebracht)!" Ich bat sie also, sich das Bild ihrer weinenden Eltern vorzustellen. Dazu machte ich die BioLateral Musik an und währenddessen sprachen wir darüber, wie es ist, die Eltern weinen zu sehen und wie das die eigene Trauer verstärkt und deshalb wütend auf die Eltern zu werden. Nach einer kurzen Zeit war sie in der Lage, sich die Eltern trauernd vorzustellen, darüber zu sprechen und zu spüren, dass ihr das nicht mehr so sehr viel ausmachte. Am Ende bat ich sie, zwei weitere Bilder zu malen, ein trauriges und ein glückliches, dann beide vor sich hinzulegen und ihren Kopf still zu halten, während sie die Augen hin und her bewegte von traurig zu glücklich zu traurig zu glücklich ... und dabei an Vater und Mutter zu denken. Und nach einer kurzen Zeit war die Traurigkeit weg. Sie konnte sich Vater und Mutter vorstellen, wie sie traurig waren und wissen, dass sie o.k. sein durfte, obwohl Mutter und Vater traurig waren. Hier haben wir es wieder mit dieser Bindungsgeschichte zu tun.

Als sie zur vierten Sitzung hereingekommen war, wollte ich nochmals dieses Gefühl aufbauen, stark genug zu sein, um mit zukünftigen Schwierigkeiten fertig zu werden und ich fragte sie: Wen kennst du, der dir Kraft gibt, wenn du an ihn denkst? Und sie sagte: "Popeye!" Wunderbar, diese Trickfilmfigur. Und dann sagte ich: "Popeye ist superstark und weißt du, manchmal musst du sehr stark sein, wenn du die ganze Trauer in deinem Herzen hast!" Da unterbrach sie mich und sagte: " Ja! Es ist, wie wenn man eine Tür hier im Herzen öffnet." "Gut", sagte ich, "du musst stark sein. Denk an Popeye, wie er diese Tür öffnet, und wenn du die Tür aufmachst, kannst du alles rauslassen, wie z.B. diese Traurigkeit, die in dir ist." Dann machten wir eine Liste von ungefähr 6 oder 8 Verwandten. Wir bearbeiteten jeden einzelnen Verwandten. Einen oder zwei in jeder Sitzung nach dem Motto: Stell ihn dir vor, da ist ein bisschen Trauer, öffne die Tür, lass sie hinaus, zurück zu Popeye! Auf diese Art und Weise erreichten wir diese Verknüpfung: einerseits das Gefühl stark zu sein und etwas tun zu können verbunden mit dem Gefühl, die Trauer loszulassen.

Wir hatten noch eine weitere Sitzung, in der wir die Situation bearbeiteten, wie ihre Eltern sie anrufen, um ihr zu sagen, dass einer von Vaters College-Freunden gestorben ist. Warum mussten sie sie anrufen, sie hatte doch schon genug mit dieser Thematik zu tun! Nun ja, was wir in dem Falle zu tun hatten, ging sehr schnell. Als sie hereingekommen war, erzählte sie mir von dem Telefongespräch und im Wesentlichen bewegten wir uns im Protokoll für recent events. "Das war vor zwei Tagen und jetzt bin ich hier!" Wir bearbeiteten es so: "Kannst du daran denken, wie es war? - Oh, du hast schon eine Menge geschafft!", hin und her zwischen beidem und nach etwa 5 Minuten konnte sie an Vater und Mutter denken, wie sie sie anrufen und sich trotzdem o.k. fühlen. Daraufhin verankerten wir das, um es zu festigen.

Als sie zu ihrer letzten Sitzung kam, ließ ich sie an alle ihre Erfolge denken, die sie gehabt hatte. Zu jedem einzelnen Erfolg machte sie ein oder zwei Augenbewegungssets oder ich ließ die BioLateral Musik laufen und so verstärkten wir noch einmal jeden Erfolg, den sie gehabt hatte. Danach wandten wir uns der Zukunft zu, wie es wohl sein würde, wenn jemand käme und nach ihrem Onkel fragte, denn das war in der Vergangenheit eine schwierige Situation für sie gewesen. Sie stellte es sich vor und wir bearbeiteten das und daraufhin hatte sie keine Probleme mehr, sich in der Situation vorzustellen. Und dann zum Schluss arbeiteten wir an ihrer Selbstsicherheit: "Wie wirst du Leuten sagen, dass du wirklich nicht darüber reden willst? Kannst du das? Und kannst du dir vorstellen, das zu tun? O.k., hast du das Bild vor Augen?" Und dann, sie kennen das, dazu Sets von Augenbewegungen. Sehen sie, es muss eingewoben werden, zumindest bei diesen Klienten aber wir haben die meisten Aspekte des Protokolls dabei, außer den Skaleneinschätzungen.

Im zweiten Fall geht es um einen 16jährigen Jungen, Mike, mit dem ich immer noch arbeite, und von dem ich keine weltbewegenden Erfolge berichten kann. Es gab zwei Gründe, warum seine Eltern ihn bei mir vorstellten, zum einen praktizierte er eine Art Selbststimulierung, in dem er mit Papierblättern vor sich herumwedelte und mein Eindruck war, dass er sich auf diese Art und Weise zu beruhigen versuchte. Der zweite Grund war, dass die Eltern glaubten, es würde ihm gut tun, mit einer männlichen Person zu reden.

Bei unserem ersten Gespräch erzählte er von seinem jüngeren Bruder, der in der Schule prima klar kam, und auch, dass er zwei oder drei Jahre zuvor auf einer Tanzveranstaltung mit einem nicht-behinderten Mädchen getanzt hatte und nun, drei Jahre später erinnerte er sich noch ganz genau, wie er ihre Hand berührt hatte. Es war rührend, wie er so verzaubert davon sprach. Aber er war auch sehr wütend darüber, dass sie sich seitdem nicht mehr verabredet hatte. Ich nahm mir die Zeit, ihm zuzuhören und er sagte, diese beiden Menschen seien diejenigen, an die zu denken ihm am schwersten fallen würde.

In der darauffolgenden Woche sahen wir uns nicht, danach rief seine Mutter an und erzählte, dass er in der Schule rumgeschrieen habe, er hasse diese Menschen und er werde sie umbringen. Das kam in der Schule gar nicht gut an. Er tat es natürlich nicht, aber es war eben seine Art, sich auszudrücken.

Eine Woche später kam er wieder zu mir und ich hatte vor, das mit BioLateral Musik zu bearbeiten. Er hat einen guten Zugang zu Musik und wir fangen die Sitzungen oft mit Trommeln an, damit er sich abreagieren kann. Er setzte die Kopfhörer auf und nach etwa 30 Sekunden riss er sie wieder herunter und rief: "Ich hasse mein Leben!" Ich fragte: "Wie bitte?" oder etwas in der Art und es stellte sich heraus, dass sein linkes Ohr geschädigt ist und er damit wesentlich schlechter hört, als mit dem rechten. Es war ganz offensichtlich, dass er sich schämte, dass etwas falsch an ihm war.

Das Einzige, was wir seitdem gemacht haben war, dass wir uns in den drei Wochen bis jetzt die Zeit nahmen, jedes Mal, wenn er kam, auf dieses Ohr zu fokussieren. Ich fragte ihn: "Wenn du jetzt an das Ohr denkst, wie sehr regt es dich auf?" Und da kann ich doch von Erfolg sprechen, denn er hörte auf, sich zu wünschen, sich selbst oder andere zu erschießen und dadurch seine intensiven Gefühle auszudrücken. Zu aller erst bat ich ihn, sich in seinem Geist einen sehr friedvollen Ort aufzubauen und er stellte sich vor, dass er viele Tiere da hinein brachte. Als nächstes ließ ich ihn eine Erinnerungsmaschine erfinden, die es ihm ermöglichte, in der Zeit zurückzugehen und Erinnerungen von schönen Ereignissen und von gelungenen Vorhaben herauszuziehen. Außerdem bat ich seine Familie, Fotos von guten erfolgreichen Zeiten mitzubringen. Und dann bat ich ihn, Zeichnungen von seinen Gefühlen zu machen, von den Gefühlen, die bei ihm hochkamen, wenn er an diese beiden Menschen dachte, die ihn hauptsächlich wütend und traurig machten. Er nahm das aber beides zusammen und wir machten ein Gesicht für beides. Und etwas ergab sich, als ich seine Zuneigung zu unseren Katzen bemerkte, er liebt eine von ihnen ganz besonders, sie heißt Phoebe. Phoebe hat keine Krallen, sie hat sie abgekratzt und ich sagte im Hinblick darauf: "Ist Phoebe nicht erstaunlich, sie ist so anders als andere Katzen, sie kann nicht kratzen, sie kann manches nicht, was andere Katzen können, aber ist sie nicht das liebenswerteste Geschöpf auf der Welt?" Ich wollte ihm so gerne eine andere Sicht anbieten.

Hauptsächlich ging ich folgendermaßen vor: Ich bat ihn, die Bilder von den positiven Ereignissen und das traurig-wütende Gesicht vor sich auf dem Boden auszulegen, dazu stellte ich die BioLateral Musik an und bat ihn dann, seinen Kopf stillzuhalten und zwischen den beiden hin und her zu schauen. Nach eine Weile sagte ich: "Hey, denk mal an das Ohr!" und dann ließ ich ihn eine Serie von Augenbewegungen dazu ausführen. Wir hatten eine Skala von 0-10 entwickelt, 0 bedeutet: Es ist wirklich schrecklich, ich selbst zu sein! und 10: Mein Leben ist großartig! Damit konnte er umgehen, alles andere wäre zu kompliziert gewesen. Er machte mit einem großen Ernst mit und startete bei 3, was hieß, dass er sich wirklich nicht besonders klasse fühlte, wenn er an sein Ohr dachte. Ich ließ ihn sich immer wieder zwischen den positiven und den negativen Gefühlen bewegen und ab und zu unterbrach ich ihn und wir machten ein paar Augenbewegungssets. Seine Selbsteinschätzung stieg von 3 auf 8. Er kam daraufhin zwei Wochen hintereinander in mein Behandlungszimmer und ich fragte ihn: "Denk an dein Ohr, wie gut sind deine Gefühle zwischen 0 und 10?" Und er sagte: "10! Ich fühl mich super!" 2 Wochen zuvor hätte er sich das nicht vorstellen können.

Wie Sie sehen, geht es nach dem Prinzip: Eins nach dem anderen. Aber ich denke, mit Geduld und Kreativität können wir eine Menge erreichen.

John: Eigentlich ist es das erste Mal, dass ich von Andrews genauem Vorgehen höre, die Ähnlichkeiten zwischen meinem und seinem Vorgehen sind auffallend, obwohl wir unabhängig von einander arbeiten. Die Ähnlichkeiten liegen im Gebrauch von kontinuierlicher bilateraler Stimulation, bei gleichzeitiger genauer Beobachtung dessen, was passiert, worüber die Person spricht und dann von Zeit zu Zeit ein: "Bleib dabei!" und man nimmt die Augenbewegungen zur zusätzlichen Unterstützung dazu.

Andrew: Mary Moser schrieb mir: "Ich erinnere mich an einen MR-Klienten (mental retarded), dessen Trinkorgien seine Möglichkeiten zur Jobsuche zunichte machten. Er war 21 Jahre alt und litt seit dem 13. Lebensjahr an Flashbacks, nachdem er seine geliebte ältere Schwester ermordet auf deren Küchenboden aufgefunden hatte. Ich benutzte EMDR, um ihm zu helfen, mit seinen traumatischen Erinnerungen fertig zu werden und ich erinnere mich, dass er bemerkenswert gut darin war, diese Szene zu visualisieren. Ich weiß nicht, ob dieses mit seiner Genesung von seinem Trauma verbunden ist oder nicht, aber ein paar Tage nach der einzigen EMDR-Sitzung, die wir hatten, erinnerte er sich plötzlich zu seiner großen Freude, dass er lesen konnte, obwohl er bislang jede Fähigkeit dazu geleugnet hatte. Seine ermordete Schwester war seine Lese-Lehrerin gewesen, nachdem die Schule es aufgegeben hatte, ihn zu unterrichten."

Ricky Greenwald, ein kurzer Auszug aus seinem Artikel: Es geht um ein Kind namens Sam, acht Jahre alt, leicht geistig behindert, und seinen Zustand direkt nach dem Hurrikan Andrew. Er hatte starke Ängste während des Hurrikans und machte danach die Erfahrung von Verlust und Umsiedlung. Seine Eltern berichteten, dass er Schlafstörungen hatte, emotional instabil war, häufig wütend wurde und als Ausdruck seines distress (Schmerz, Leid, Kummer, Sorge) hyperaktiv war. Er war zwei Jahre zuvor von einer Lehrerin traumatisiert worden, die ihn häufig zur Strafe auf dem Klo eingesperrt hatte. Aber seit dem Hurrikan hatte sich sein Distress ungefähr verdoppelt. Er wurde in einer einzigen eineinhalbstündigen Sitzung behandelt. Er arbeitete bereitwillig mit, war aber unfähig sich auszudrücken, und es bedurfte besonderer technischer Modifizierungen, damit er bei der Sache blieb.

Die Behandlung fing mit einem Albtraum an. Während er Augenbewegungen ausführte, war Sam in der Lage, sich vorzustellen, dass er ein Schwert benutzte, welches ihn vor seinem unheimlichen Traumbild schützt. Das Schwert wurde immer wieder während der Sitzungen beschworen und auf einmal lächelte der Junge und sagte: Jetzt habe ich einen guten Traum mit meinem Schwert. Als nächstes ging es um den Hurrikan und schließlich um die Erfahrung mit der bösen Lehrerin. Plötzlich visualisierte Sam während der Augenbewegungen spontan das Gesicht der Lehrerin, wie sie eine böse Person mit einem Schwert wurde, mit Sam einen Schwertkampf kämpfte und gewann. Gefragt, welche Gedanken mit dem Gesicht der Lehrerin verknüpft seien, sagte Sam: Ich kann nichts richtig machen. Gefragt, ob er jetzt Sachen richtig machen kann, sagte er: Ja. Dieser Gedanke wurde als Focus für Augenbewegungen gewählt. Später gefragt, wessen Schuld es war, dass die Lehrerin gemein war, sagte er während Augenbewegungen: Sie sagte, es sei mein Fehler, aber das stimmt nicht, sie war gemein, es war ihr Fehler. Nach dieser Sitzung musste die Familie umziehen und das hätte den Jungen normalerweise völlig aus der Bahn geworfen, aber er verkraftete es gut und musste es nicht mit Wutausbrüchen ausagieren."

Jetzt ein Bericht von Reinaud Lievegoed. Er lebt in Holland, ist Psychiater und hat mir vier oder fünf Fälle geschickt. Er schreibt von einer Frau, deren Name M.P. ist. Sie ist im November 1979 geboren. Ihr IQ ist unter 50. Ihr emotionaler Entwicklungsstand entspricht ungefähr dem von 4-5 Jahren. Sie wurde mit infantiler Enzephalopathie pränatalen Ursprungs geboren, die sich in motorischer Retardierung, Ataxie und Diplegie zeigt. Ihre gesamte Entwicklung war verzögert gewesen. Seit ihrer Kindheit machte sie immer, wenn sie etwas begeisterte, vogelähnliche Bewegungen, ähnlich denen von autistischen Patienten. Sie konnte früher singen als sprechen, ist extrem empfänglich für die Gefühle anderer Menschen. Mit Gleichaltrigen zu spielen war und ist schwierig. Sie möchte sie gerne bemuttern und ihnen helfen, anstatt mit ihnen zu spielen. Gegenüber Erwachsenen ist sie sehr fordernd und braucht Beachtung. Typischerweise spricht sie laut mit sich selbst, um mit gegenwärtigen Stressoren umzugehen oder um sich selbst bei einem erwarteten Ereignis zu stützen. Wenn sie etwas begeistert oder aufregt, ängstigt und beunruhigt, werden die Selbstgespräche intensiver und sie wiederholt ihre Fragen über den Anlass ihrer Aufregung immer und immer wieder. Es ist klar, dass sie von klaren räumlichen und zeitlichen Strukturen ebenso wie klaren Absprachen sehr abhängig ist.

Langer Rede kurzer Sinn, was passierte, war Folgendes: Ihr Vater ist Alkoholiker. Eines Tages liegt ihr Vater nach einem Übermaß von Alkohol und Schlaftabletten bewusstlos auf dem Fußboden. Sie ist anwesend, als ihr Onkel kommt, den Vater ruft und dieser nicht antwortet. Als sie später ins Krankenhaus geht, um ihren Vater zu sehen, ist er an diese ganzen Schläuche angeschlossen. Als der Vater wieder zu Hause ist, flippt sie jedes Mal aus, wenn der Vater irgendetwas trinkt, auch wenn es eine angemessene Menge ist. Das macht die Sache sehr schwierig, so dass ihre Besuche zu Hause wegen ihrer Reaktionen auf Vaters Trinken immer weniger werden.

Deshalb stimmte die Familie und M.P. einer EMDR-Arbeit, die sich auf dieses Problem beziehen sollte, zu. Reinaud verwendete viel BioLateral Musik in seiner Arbeit und er schreibt, sie war in der Lage, die beiden am meisten belastenden Bilder, die mit dem Vorfall mit ihrem Vater zusammenhingen, zu beschreiben. Das eine war, wie der Vater nicht antwortet, das andere war im Krankenhaus. Sie wählte zuerst das Bild ihres Vaters, wie er auf dem Fußboden lag. Trotz sieben Unterbrechungen bearbeitete sie die empfundene Belastung bis zu einem Wert von Null. Es war für sie so schwierig gewesen, weil sie und ihr Vater, gerade bevor er in Ohnmacht fiel, einen Streit gehabt hatten. Deshalb fühlte sie sich schuldig. Das musste alles bearbeitet werden.

In der nächsten Sitzung war sie in der Lage, ohne jede Belastung an ihren bewusstlosen Vater zu denken, nach einer kurzen Phase BioLateral Musik konnte sie über die Situation lächeln und dann wurde es ihr möglich, von sich selbst zu glauben, dass sie ebenso mit weiteren schwierigen Situationen würde umgehen können. Später berichtete die Mutter, dass diese junge Frau seitdem zu Hause keine Schwierigkeiten mehr gehabt hat und im Übrigen war in diesem Zusammenhang interessant, dass sie jetzt ihre Energie dafür einsetzte, in eine andere Einrichtung zu wechseln, in der sie mehr Autonomie und Unabhängigkeit haben würde. Das bedeutet, sie hatte schon jetzt mehr Autonomie und Unabhängigkeit erworben, und musste sich nicht mehr ständig mit ihrem Vater auseinander setzen.

John: Die Fallstudie, die ich Ihnen vorstellen möchte, könnte man eine Art Pilotstudie nennen. Ich fange mit einer demographischen Beschreibung der Teilnehmer an: Es geht um vier Klienten, 3 Männer, eine Frau, Altersspanne von 18-39, der IQ entspricht einer leichten Intelligenzminderung und liegt zwischen 55 und 70.

Der 1. hat die Diagnosen: paranoide Schizophrenie, alkoholabhängig, vermeidende Persönlichkeitsstörung, dazu kommen eine Reihe physischer Erkrankungen, ich nenne ihn Bob.

Bei der 2. wurde diagnostiziert: paranoide Schizophrenie, Borderline-Persönlichkeitsstörung, sie zeigt viele Verhaltensweisen, die auf Hospitalismus zurückzuführen sind, hat Herz-Kreislaufkrankheiten und ist stark übergewichtig, ich werde sie Betty nennen.

Der Nächste hat intermittend explosive disorder und ich nenne ihn Bill.

Und schließlich Bred: Dysthymia, abhängige Persönlichkeitsstörung und Störung der Geschlechtsidentität

Kommen wir zu den Behandlungsergebnissen, die sich am ehesten in Verhaltensänderungen darstellen lassen. Die Länge der Therapien variierte, aber nach etwa 6 Monaten zeigte sich bei allen so etwas wie Wachstum/Kräftigung. Drei von ihnen konnten deshalb unabhängig reisen, was sie vorher nur selten gemacht hatten, zwei von ihnen bekamen Jobs, einer davon bekam eine Integrationsstelle, eine Vollzeitstelle, zum ersten Mal in seinem Leben, er ist Anfang 20, das ist Bred.

Der andere war Bill. Es gelang, ihm einen mainstream job (Integrations-Arbeitsplatz) zu vermitteln, es war eine richtige Arbeitsstelle mit einer vernünftigen Bezahlung, wenn auch auf niedrigem Niveau, aber ein Job, den auch "normale" Leute machen würden. Allerdings war es nur eine halbe Stelle, er bekam keinen Vollzeit-Job. Für beide war das war eine klare Verbesserung, aber trotzdem zweifelten sie an sich selbst. Andere Leute hatten sich bei der Arbeit über sie lustig gemacht. Also beschäftigten wir uns damit. Früher hätten sie sich solch eine Arbeit nicht zugetraut oder wenn sie es versucht hätten und es wäre schief gegangen, dann hätten sie sicher gleich aufgegeben und es nie wieder versucht. Das war jedenfalls meine Erfahrung.

Es gab weitere Indikatoren für eine positive Persönlichkeitsentwicklung. Bred kaufte sich zum ersten Mal ein eigenes Auto. Und auch Bob kaufte sich eins, er ist derjenige mit paranoider Schizophrenie mit aktiven Halluzinationen. Außerdem entschloss er sich, nicht mehr länger im Zimmer seiner Eltern zu leben, er ist Ende 30, da gewinnt man einen Eindruck, wie abhängig er war und das hauptsächlich wegen seiner Angst vor Albträumen. Wir bearbeiteten seine Träume und Albträume und das interessante daran war, das sie uns auf tatsächliche traumatische Vorfälle zurückführten. Er hatte oft Albträume, in denen es um Ertrinken oder Angst vor Wasser ging. Als wir anfingen, das unter bilateraler Stimulation zu bearbeiten, tauchten Erinnerungen an ein Ereignis aus seiner Junior High School- Zeit auf. Er war damals beim Rauchen auf der Jungentoilette erwischt worden. Zur Strafe drückte der Lehrer seinen Kopf in die Kloschüssel! Er erzählte niemandem davon und da sind wir wieder einmal beim Thema Vulnerabilität für Missbrauch und Misshandlung bei behinderten Menschen. Er war ein special education kid, und sein Selbstbild war: Sonderschüler sind dumm, minderwertig und unfähig und deshalb sagte Bob nichts. Aber als es wieder hochgekommen war, erzählte er es doch schließlich seiner Mutter und es wurde überprüft und als wahre Erinnerung bestätigt. Nachdem wir seine Albträume bearbeitet hatten, gingen auch seine Sorgen bezüglich des Schlafengehens zurück und er konnte in seinem eigenen Zimmer schlafen, ein Auto kaufen und viele Reisen unternehmen.

Bob hat auch ein schweres Alkoholproblem, er ist ein Gelegenheitstrinker. Manchmal schafft er es 6-8 Wochen ohne Alkohol und dann hat er einen ernsthaften Rückfall und trinkt 20 Flaschen Bier in 10 Stunden. Ein anderes Problem bei Bob ist, dass er all die physischen Krankheiten hatte und den Ärzten nicht erzählte, was ihn plagte. Er wurde auch nicht tätig, um irgendetwas dagegen zu unternehmen und wenn man ihn schließlich zu Ärzten schickte, ging er wohl hin, aber erzählte nicht das, worum es ging. Er glaubt, er würde mit seinen Krankheiten richtig umgehen. Das ist ein großes Problem. Zum Beispiel glaubt er, er sei herzkrank, obwohl niemand etwas hat finden können, und deshalb nimmt er Aspirin, um einer Herzattacke vorzubeugen. Deshalb musste er schon ein paar Mal ins Krankenhaus, weil sein Blutbild so schlecht war. Der Anteil der roten Blutkörperchen war sehr niedrig. Kürzlich wurde er von einer Psychiaterin untersucht und erzählte nicht, dass er Halluzinationen hat (eigentlich hätte sie ihn fragen sollen!). Die Sache ist die, dass ich versuche, Bob beizubringen, wie er Zugang zum Gesundheitssystem bekommen kann, was für keinen von uns leicht ist, aber man muss Fragen beantworten, man muss beharrlich sein, man muss offen und ehrlich über alles berichten, was die eigene Gesundheit anbelangt. Aber er fängt jetzt an, es so zu machen, auch in diesem Punkt hat er sich sehr verbessert.

Betty war die einzige, bei der ich keine deutlichen Verbesserungen feststellen konnte. Betty ist sicher die am schwersten gestörte Person. Sie zeigte einen kleinen Fortschritt, indem sie eine Reise zu ihrem Sohn machte, der in einem anderen Bundesstaat lebte. Sie war noch nie in einen anderen Bundesstaat gefahren, normalerweise bewegte sie sich in einem Radius von etwa 20 Meilen um ihren Wohnort. Leider konnte ich die Therapie nicht beenden, weil ich die Klinik, in der sie lebte, verließ und sie keine Möglichkeit hatte, zu mir zu kommen.

Interessanterweise nehmen Bob und Bred eine 45-minütige Reise auf sich, um mich zu sehen, nicht wegen mir, sondern wegen EMDR. Vorher hätten sie das nicht gemacht. All diese Patienten waren vorher auch schon in therapeutischer Behandlung aber die erwähnten Verbesserungen haben erst stattgefunden, nachdem sie EMDR gemacht haben. Eine andere, sehr auffällige Tatsache ist das deutliche Ansteigen des Engagements in der Therapie. Bred fing an als ein Suizid gefährdetet Oberstufenschüler, er wurde von seinem Schulsozialarbeiter überwiesen und war für mich eine echte Herausforderung. Er hatte keinerlei soziale Unterstützung, er kam aus zwei dysfunktionalen Familien, d.h., er pendelte zwischen den Großeltern väterlicherseits und mütterlicherseits, aber die einen waren ablehnender, feindseliger und gemeiner als die anderen. Er neigte dazu, bei denen zu bleiben, die gerade weniger schlimm waren. Er erschien nicht zu verabredeten Terminen, sagte auch nicht ab, machte einfach gar nichts. So versuchte ich, ihn über den Schulsozialarbeiter zu erreichen und schließlich kam er vorbei. Aber das war, bevor wir EMDR anwendeten. Es war sehr schwierig, einen Rapport herzustellen, Vertrauen aufzubauen und überhaupt therapeutisch zu arbeiten. Aber schließlich konnte ich EMDR einführen und von da an war seine Mitarbeit hundertprozentig.

Ich habe auch am Ende der meisten Sitzungen eine Angstreduzierung feststellen können, ich schreibe das der kontinuierlichen bilateralen Stimulation zu. Eine große Zahl meiner Klienten berichtet, dass das so eine Art Anschub-Effekt bewirkt, es hilft, Erinnerungen aufzuklären, es hilft dem eigenen Verständnis, sie werden bewusster, sie sind plötzlich in der Lage, über Dinge zu sprechen, über die sie sonst nie hätten sprechen können. Wenn wir über etwas reden, was sie zu überwältigen droht, bearbeiten wir das. Während ich mit den Klienten arbeite, lasse ich die David Grant CDs laufen. Die Klienten äußern sich oftmals spontan darüber, wie sehr sie EMDR und diese CDs und Kassetten mögen. Sie genießen geradezu die Sitzungen, sie genießen die Therapie und sie decken auf.

Zu 5.

Frage: Wie lange dauern die Sitzungen? Wie häufig sehen Sie die Klienten in einer bestimmten Zeit?

Antwort (John): Ich arbeite mit dieser continuum idea, d.h. ich mache keinen Unterschied in der Behandlung von behinderten und nicht-behinderten Klienten, jedenfalls im Großen und Ganzen. D.h. die Sitzungen haben die gleiche Länge und die gleiche Frequenz, einmal pro Woche. Ich habe generell 50-Minuten Sitzungen, aber ich weise nochmals daraufhin: das bezieht sich auf mildly retarded clients. Es könnte bei anderen Klientengruppen anders sein.

Frage: Haben Sie Klienten, die gar nicht sprechen?

Antwort (Andrew): Nicht mit EMDR. Ich arbeite mit einer Reihe von Menschen, die schwer behindert sind und nicht sprechen, aber nicht mit EMDR.

Frage: Arbeiten Sie auch mit Betreuern und Familien, denn die haben einen großen Einfluss?

Antwort (Andrew): Ja, sehr häufig, und zwar auf Grund der Tatsache, dass sie oft mehr Zeit mit den Klienten verbringen als irgendjemand anderes. Deshalb brauchen sie besonders viel Aufmerksamkeit und Unterstützung, denn es ist eine sehr frustrierende Arbeit und man sieht oft kaum Veränderungen bei den Klienten. Deshalb fühlen sie sich oft ausgebrannt.

Frage: Im Hinblick auf EMDR- Sitzungen, ist da letztendlich ein Fortschritt, eine Auswirkung?

Antwort (Andrew): Meine Klienten haben verschieden angesprochen. Die Fortschritte / Entwicklungen / Erkenntnisse, die sich bezüglich einer bestimmten Erinnerung oder eines bestimmten Problems eingestellt haben, scheinen stabil zu sein. Aber was nicht stattfindet, ist die darauf folgende Generalisierung. Es mag sein, dass ein sehr ähnliches Ereignis hochkommt und man wundert sich: "es war doch da, warum hat er es nicht bearbeitet?" Es liegt wohl an dem mangelnden Abstraktionsvermögen

Frage: Könnte der Gebrauch von kontinuierlicher bilateraler Stimulation bei schizophrenen Patienten deren Überstimulation verringern?

Antwort (John): Das ist eine gute Frage. Ich habe darüber noch nicht nachgedacht, aber man könnte es ausprobieren. Ich hatte einen schizophrenen Patienten, er war nicht geistig behindert, aber ich habe ihn in der beschriebenen Art und Weise behandelt. Daraufhin konnte er seine Medikamente so reduzieren, dass der Psychiater erstaunt war und nachfragte, was ich mit ihm gemacht hätte. Aber das muss noch näher untersucht werden.

Frage nach autistischen Personen - John: Keine Erfahrungen

Frage: Sie arbeiten mit geistig behinderten Menschen prinzipiell genauso wie mit normal-intelligenten Menschen. Ich hätte erwartet, dass Sie eher die Verfahren anwenden würden, die für Kinder passen.

John: Ja, das macht absolut Sinn. Es gibt einige Fälle, in denen ich gehalten bin, die Dinge ein bisschen zu vereinfachen. Andrew erwähnte das auch, z.B. anstatt 0 - 10, sehr gut oder sehr schlecht. Auch der Gebrauch dieser gezeichneten Gesichter, die den Grad des Leidens illustrieren ist sehr hilfreich. Meine Klienten sind sprachlich sehr fit, was ungewöhnlich ist. Ich glaube, sie bekamen deshalb niedrige IQs, weil ihr Handlungs-IQ so niedrig ist, ihr verbaler IQ ist vielleicht ganz nah an der Norm.. Im Hinblick auf Forschung ist es wichtig, die jeweilige Bevölkerungsgruppe zu spezifizieren, denn was in der einen Gruppe funktioniert, kann in einer anderen möglicherweise nicht so gehen.

Frage: Wo sind die Abweichungen vom Standardprotokoll?

Andrew: Im Hinblick auf die Skalen wird manchmal vereinfacht. Außerdem ist es nicht so ein exaktes stop and going, stop and going, sondern wenn ich mit einer Person spreche und bemerke, dass da Emotionen hochkommen, dann sage ich: Kannst du deine Aufmerksamkeit darauf lenken? Und dann geht es da weiter. Es ist fast wie Weben oder Sähen, was ich mache, denn es scheint den Fluss am Fließen zu halten. Es ist so leicht, bei diesen Menschen den Fokus zu verlieren, und wenn man anfängt die Sache mechanisch zu betreiben, wird man die Person verlieren und auch den kleinen Moment, in dem ein Gefühl an der Oberfläche auftaucht.

 

Andrew hat die Kopien der Folien zum Seminar als Powerpoint-Datei und verschickt das Ganze per E-mail auf Anfrage. Auf seiner Homepage hat er unter anderem auch einige Fallbeschreibungen, die ihm Kollegen und Kolleginnen zugeschickt haben, drei davon sind oben erwähnt. John hat einen kurzen Artikel über seine Pilotstudie geschrieben. Er ist bei EMDR-Portal veröffentlicht (s.u.)

Kontakt:

Andrew Seubert, E-mail: seub@ptd.net, Homepage: www.clearpathhealingarts.com

John McDonagh, E-mail: j.mc.donagh@worldnet.att.net

In diesem Zusammenhang interessante Adressen: www.emdrportal.com, National Association for dually diagnosed, NADD: www.thenadd.org, E-mail: thenadd@aol.com